Beiträge aus dem 
Schuljahr 2004 / 2005

 

Schulzoo

Nemo und seine Clique - oder wie alles anfing

Im Dezember nahmen wir in Biologie bei Frau Porschke das Thema „Fische“ durch. Unser „Anschauungsobjekt“ war ein Goldfisch. Frau Porschke lieh ihn von der Tierhandlung Köstler aus. Seine Urlaubsunterbringung war ein kleines sechseckiges Aquarium aus Plexiglas. Wir nannten ihn Nemo, und er sollte unser neues Klassenmaskottchen werden. Nach einigen Überredungskünsten durften wir ihn behalten. Bloß ganz allein in einem kleinen, sechseckigen Plexiglasaquarium - was ist das für ein Leben? Also bekam Nemo ein tolles Aquarium gespendet. Aber damit war das Partnerproblem noch nicht behoben. Deshalb legten wir uns noch zwei Scheibenputzer zu. Doch Nemo wollte einen Freund von der gleichen Fischart, also kam Jojo in die WG. Am Schluss kamen vier Schleierschwänze dazu. Und so leben sie glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende.

Melanie Bayer

Das war kurz nach Ostern. Inzwischen denken wir daran, unserem Scheibenputzerpärchen einen Unterschlupf anzubieten und sie so in „Hochzeitsstimmung“ zu bringen. Inzwischen hat sich auch alles andere eingespielt: Das tägliche Füttern und Überprüfen aller technischen Einrichtungen wie Filter, Pumpe und Beleuchtung, und manchmal auch der Wasserwerte. Zur Routine geworden sind auch der regelmäßige Teilwasserwechsel und das Säubern des Aquariums mit dem „Wasserstaubsauger“, genauer gesagt einer Mulmglocke, ebenso wie das Reinigen der Scheiben von hartnäckigen Algenbelägen und das Düngen und Pflegen der Wasserpflanzen. Völlig eigenständig organisierten die Schüler der 6a Kleingruppen für die Fütterungen und vor allem für den arbeitsintensiveren Teilwasserwechsel jeden Mittwoch in der Mittagspause. Für die Meisten, fast ausschließlich Nichtaquarianer, war die Pflege der Fische Neuland. Nach einigen kurzen Erklärungen und eigenem Ausprobieren waren die wichtigsten Handgriffe jedoch rasch erlernt und schon bald gab es den einen oder anderen Spezialisten für die Aufbereitung von Leitungswasser oder das vorsichtige Durchspülen des Filters. In den nächsten Wochen wollte dann jeder einmal mit der Mulmglocke oder dem Scheibenkratzer arbeiten oder ganz einfach eine neue Tätigkeit ausprobieren. Dabei blieb es nicht aus, dass einer dem anderen ganz selbstverständlich das gerade neu Gelernte zeigte und so dem Klassenkameraden zum Lehrer wurde – dieser selbst geriet etwas erstaunt, insgeheim aber erfreut in den Hintergrund und hatte sich selbst auf diese Weise eigentlich völlig überflüssig gemacht …
Längst hatte sich die Anwesenheit von „Nemo und seiner Clique“, begünstigt durch die enorme Begeisterung der 6.Kläßler für ihr Aquarium, ihre Freude am Beobachten der Fische und überhaupt ihre Anteilnahme an den Vorgängen unter Wasser herumgesprochen und andere neugierig gemacht, so dass schließlich tägliche Besuchszeiten an der Tür zur Biologievorbereitung ausgehängt und das Aquarium allen Schülern zugänglich gemacht wurde. Der dadurch ausgelöste große Zulauf, der zeitweise an Zutrittsbeschränkungen denken lies, kam aber nicht nur unseren Goldfischen zu Gute, sondern machte auch die bereits erwähnten Regenwürmer der Fünftkläßler und andere kleine „Krabbeltiere“, über die im Folgenden berichtet werden soll, weit über die Klassengrenzen hinweg bekannt.
Wenn kleine Tiere Großes bewegen
Ebenfalls bereits vor Weihnachten waren, im Zusammenhang mit der vollkommenen Entwicklung der Insekten, kleine, unscheinbar bräunliche, eigentümlich gegliederte Würmchen Bestandteil des Biologieunterrichtes in der 7.Klasse. Auch sie sollten eigentlich nur gezeigt werden und den Schülern neben den allgemein bekannten Schmetterlingsraupen als Larven der Mehlkäfer dieses Fressstadium in der Entwicklung der Insekten schlechthin veranschaulichen. Doch kaum einmal in der Hand des Lehrers gesehen, war – von etwaiger Abneigung keine Spur – sofort die Frage „Darf ich den auch mal nehmen?“ gestellt und das allen Vorurteilen zum Trotz noch dazu von einem Mädchen! Was eine will und kann, wollen alle – damit waren mit einem Schlag Interesse und Begeisterung für diese so ungewöhnlichen Tiere geweckt und das Feld für neue Fragen geöffnet: „Was fressen die?“, „Sind das wirklich Würmer?“ und „Wenn da Käfer daraus werden, kann man das wirklich beobachten?“ - all die Neugier gipfelte darin, dass sich einige Schüler gewissermaßen als Weihnachtsgeschenk wünschten, ein halbes Dutzend der Insektenlarven über die Ferien aus ihrem kleinen „Insektarium“ in der Biovorbereitung zu „entführen“ und in einem Einweckglas mit etwas Mehl zu halten. Sie wollten unbedingt ihre kurz bevorstehende Verpuppung und anschließende Verwandlung in die schwarzen Käfer mit eigenen Augen beobachten können.
Nicht nur diese Erfahrung zeigt, wie sehr lebende Tiere im Unterricht die Freude der Schüler am Fach Biologie fördern. Vielmehr bereiteten unsere Stabheuschrecken den Schülern der Klasse 7a ein besonderes Erlebnis. Nur wenige Schulstunden vorher hatten die Schüler erfahren, dass die Insekten im Gegensatz zu den Wirbeltieren kein von Muskeln umgebenes Knochenskelett besitzen, sondern ein Außenskelett aus Chitin, das ihren Körper wie ein Panzer schützt. Nachteil dieser Konstruktion ist natürlich, dass selbiges nicht mit wächst und daher von Zeit zu Zeit abgestriffen werden muss- ein für das Insekt nicht ganz ungefährliches Unterfangen. Schließlich ist der neue Panzer die erste Zeit noch weich und empfindlich und zuvor müssen all die langen Beine und hauchdünnen Fühler erstmal unbeschadet aus der engen, alten Hülle herausgezogen werden. Diese Unterschiede aus Bücher zu lernen oder einfach so im Unterricht erklärt zu bekommen ist das Eine, eine solche Häutung aber live selbst beobachten zu können noch mal etwas komplett Anderes. Natürlich gehört eine gute Portion Glück dazu, genau im richtigen Augenblick Biologie zu haben – schließlich häuten sich Stabheuschrecken, wann es ihnen passt und halten sich nicht an Stundenpläne – den Schülern der Klasse 7a aber war es vergönnt, Zeuge eines solchen Ereignisses zu werden. Da sieht man die zirka sieben Zentimeter große Stabheuschrecke gekrümmt unterhalb von einem dünnen Brombeerzweig hängen, der Rückenpanzer ist bereits kurz hinter dem Kopf schon ein Stückchen längs eingerissen. Man erlebt wie sie vorsichtig den frischgrünen Kopf aus der durchsichtigen alten Hülle streckt, fiebert mit, wenn sie ihren Körper mit Luft aufpumpt, um den zu eng gewordenen Panzer weiter aufzusprengen und fürchtet um ihr Leben, wenn sie sich zwischendurch Minuten lang von den Strapazen erholen muss. Nicht auszudenken, wenn sie jetzt ein Vogel entdecken und als leichte Beute fressen würde!
Solche unmittelbaren, gewissermaßen „hautnahen“ Begegnungen mit Tieren sind nur möglich, wenn diese Lebewesen direkt vor Ort sind. Nur so gelingt es, die Gunst der Stunde zu nutzen und kurzerhand die sich häutende Heuschrecke mit ins Klassenzimmer zu nehmen. Ein solch lebendig gestalteter Biologieunterricht beinhaltet nicht nur einen dauerhafteren Wissenszuwachs, sondern spricht die Schüler vielmehr auch emotional an und lässt Erfahrungen zu, die anderweitig nicht möglich wären. Doch damit nicht genug: Stabheuschrecken sind verhältnismäßig anspruchslose und leicht zu haltende Tiere. So begnügen sie sich mit einigen gelegentlich erneuerten Brombeerzweigen und etwas in das Terrarium hinein gesprühter Feuchtigkeit. Sie können also ohne allzu großen Aufwand an einer Schule dauerhaft gehalten werden. Auch sie haben daher eine neue Heimat in der Biologievorbereitung gefunden und werden mittlerweile mit großer Begeisterung von den Schülern in den Pausen besucht und regelmäßig von Futterpaten mit Grünfutter versorgt. Auf diese Weise sammeln die Schüler eine Menge Erfahrungen im praktischen Umgang mit Tieren und lernen darüber hinaus Verantwortung für Lebewesen zu übernehmen.
 Wie diese Beispiele aus dem Schulalltag zeigen wecken an einer Schule gehaltene Tiere Interesse an den verschiedensten Arten und deren Besonderheiten, motivieren darüber hinaus aber insgesamt zu einer vertieften Beschäftigung mit dem Fach Biologie. Für die Zukunft erscheint daher an eine verstärkte Einbeziehung lebender Tiere in den Unterricht durch leichte Entnahmemöglichkeiten, aber auch durch die Haltung weiterer Arten überaus lohnenswert. Durch die authentische Begegnung mit den Tieren selbst kann mehr als nur Fachwissen oder Spezialwissen über die Pflege dieser Tiere vermittelt werden. Wie aus den bisherigen Erfahrungen deutlich wird, bereitet der praktische Umgang mit den Lebewesen den Schülern schlichtweg Freude und stellt daher ein Stück Lebensqualität dar, das über die engen Grenzen der Fachschaft in die Öffentlichkeit ausstrahlt.

Nicole Porschke